Stellungnahme katholisch inspirierter Organisationen, (ILO) Geneva, 2013
Als Beitrag zur Diskussion im Rahmen der Entwicklung nach 2015 sprechen wir, die katholisch inspirierten Organisationen[1], uns einheitlich dafür aus, dass der effektivste Ausweg aus Armut und der anhaltenden globalen Wirtschaftskrise eng mit der Förderung menschenwürdiger Arbeit und Unterstützung adäquater sozialer Absicherung verbunden ist.
Deshalb können wir zuversichtlich bestätigen, dass „menschliche Arbeit die Lösung, wahrscheinlich sogar der essentielle Schlüssel, zur großen sozialen Frage ist, wenn wir versuchen, diese Frage zum Wohle des Menschen zu beantworten.“[2]
Wir sehen die Probleme, mit denen die Menschheit in einer globalisierten Welt konfrontiert sind, wie sie darum ringt, mit begrenzten Ressourcen umzugehen, Möglichkeiten für einen nachhaltigen Verdienst zu schaffen und zu befördern sowie Frieden zu schaffen.
Wir denken, dass die Bekämpfung von Armut in der Verantwortung der Regierung, der Arbeitgeber und Arbeitnehmerverbände, des privaten Sektors und der Zivilbevölkerung liegt, von deren Seite es eines gezielten Engagements bedarf, das sich auf Menschenwürde, Einhaltung der Menschenrechte, Verantwortung und Solidaritätgründet.
Mit einem großen Erfahrungsschatz sowohl im privaten Sektor als auch in der praktischen Umsetzung und Politikgestaltung weltweit, von der Basis bis hin zum globalen Level, oftmals in direkter Zusammenarbeit mit Staaten, internationalen Organisationen und anderen Bürgervertretungen, beteiligen wir uns mit dieser Stellungnahme an der globalen Reflektion und Diskussion rund um die post 2015-Agenda.
Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf und unterstützen sie hinsichtlich ihres Bemühens, das Engagement der gesamten menschlichen Gesellschaft zu erneuern, Armut zu beseitigen und zwar durch die Förderung menschenwürdiger Arbeit, qualitativ guter Arbeitsplätze und sozialer Absicherung für alle Arbeiter aller Wirtschaftssektoren, einschließlich der informellen Wirtschaft. Wir drücken unsere besondere Sorge um die Situation junger Menschen und Migranten aus, die, obwohl sie ein wichtiger Teil der Lösung der Wirtschaftskrise sind, diesbezüglich mit akuten und schwierigen Herausforderungen zu kämpfen haben.
Wir unterstützen die Bemühungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Agenda für menschenwürdige Arbeit in die post 2015- Agenda zu integrieren. Damit werden die Prinzipien der ILO- Deklaration von Philadelphia (1944), die besagt, dass Arbeit keine Ware ist, widergespiegelt und belebt. Bemerkenswerterweise wurde dieses Prinzip bereits 1931 in der päpstlichen Enzyklika Quadragesimo Anno[3]artikuliert, die eine wesentliche Komponente der katholischen Soziallehre darstellt.Die Förderung von Arbeit zur Bekämpfung von Armut sollte als Maßnahme nicht in Frage gestellt werden. Die Jobquantität darf nicht zu Lasten der Jobqualität gehen; Arbeit muss menschenwürdig sein. Damit Arbeit menschenwürdig genannt werden kann, muss sie eine “Arbeit sein, die die Würde jedes Mannes und jeder Frau im Kontext ihrer Gesellschaft bewahrt”[4].
Um dieser Pflicht und Verantwortung nachzukommen, obliegt es den Interessengruppen der Arbeitswelt miteinander zu kooperieren, um dieses Ziel im Sinne der Gerechtigkeit und Fairness zu erreichen. Das Engagement aller kann zu einer großen Hoffnungsquelle werden.
Dennoch wird in der heutigen globalisierten Welt Arbeit zunehmend informell, prekär und ungeschützt gehandhabt. Weder Beschäftigungsziele noch Gewinnspannen – für Arbeitgeber, Betriebe und Wirtschaft – sollten den Arbeitsbedingungen abträglich sein. Menschen sind keine “Ware”.
Wir fordern alle privaten sowie öffentliche Entscheidungsträger und Unternehmen auf, die Menschenwürde der Arbeiter, ihre Begabungen, ihre Arbeitskraft und Familiensituation zu berücksichtigen, sodass sie ihrer menschlichen Berufung am Arbeitsplatz besser nachkommen können.
Wir appellieren außerdem an die internationale Gemeinschaft, die vier Säulen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) - Agenda für menschenwürdige Arbeit – Beschäftigung, soziale Absicherung, Arbeitsrechte und sozialen Dialog – auf alle Arbeitnehmer anzuwenden, auch auf jene in der informellen Wirtschaft.
Ausweitung des sozialen Schutzes
Alle Personen und Organisationen müssen ihren Verpflichtungen nachkommen und alle notwendigen Aktionen unternehmen, um das Allgemeinwohl zu schützen und zu verbessern. Die Ausweitung des sozialen Schutzes ist ein unabdingbares Mittel zum Erreichen von Solidarität innerhalb und über die Gesellschaftsgrenzen hinaus. Soziale Schutzmechanismen sind grundlegend für die Beseitigung von Armut, da sie Arbeiter und ihre Familien vor Risiken des Lebens wie Arbeitslosigkeit und Krankheit schützen.
Schwache soziale Sicherungssysteme[5]benötigen Stärkung. Die soziale Grundsicherung, wie sie von der ILOin ihrer Empfehlung[6]definiert wurde, ist ein starkes Werkzeug, um allen Arbeitern, Familien und Gemeinschaften Schutz zu bieten. Wir mahnen an, besonderes Augenmerk auf menschenwürdige Arbeit und soziale Absicherung für jugendliche Arbeiter und Migranten zu legen.
Besondere Wichtigkeit von Jugend und BeschäftigungIn der heutigen Welt sind insbesondere junge Menschen aus ländlichen Gebieten und der informellen Wirtschaft großen Schwierigkeiten der Arbeitswelt ausgesetzt. Diese junge Generation besitzt viele fachliche Kompetenzen. Viele junge Leute arbeiten ohne Vertrag oder mit Teilzeitverträgen und unsicherem Einkommen. Eine größere Anzahl von ihnen ist arbeitslos. „Ein besonders schmerzliches Problem wird dies, wenn es vor allem die Jugendlichen trifft, die nach einer entsprechenden allgemeinbildenden, technischen und beruflichen Vorbereitung keinen Arbeitsplatz finden können und ihren ehrlichen Arbeitswillen und ihre Bereitschaft, die ihnen zukommende Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft zu übernehmen, schmerzlich frustriert sehen. “(LaboremExercens #18). Darüberhinaus zahlen viele junge Menschen sehr hohe Gebühren für universitäre Ausbildung und Berufsausbildung, womit sie sich bereits in jungen Jahren ohne Aussicht auf Arbeit verschulden.
Viele der nachwachsenden Generation verlieren die Hoffnung auf eine gute Zukunft und riskieren damit den Verlust essenzieller Werte. „Viele junge Menschen heutzutage stellen den Sinn des Lebens in Frage und haben Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden.“[7]
Wir appellieren an alle Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände sowie an zivilgesellschaftliche Organisationen, mit Jugendbewegungen und Jugendvertretern zu arbeiten, um eine sichere und sinnvolle Zukunft für die junge Generation zu gewährleisten. Jungen Menschen sollte der Zugang zur Arbeit garantiert werden und sie sollten von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung profitieren können, besonders auch beim Eintritt in die Arbeitswelt nach der Schulzeit. Es muss eine sorgfältige Untersuchung und Reformierung der Bildungssysteme vorgenommen werden, um einen reibungslosen Übergang von der Schule ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Führungskräfte der Wirtschaft haben eine wichtige Verantwortung darin, die junge Generation dabei zu ermutigen und begleiten.
Besondere Wichtigkeit von Wanderarbeitnehmern und ihren Familien
Migration ist nicht nur ein Recht, es ist auch eine natürliche menschliche Strategie zur Bekämpfung von Armut. Gemäß der ILO sind 90% der heutigen internationalen Migranten, von denen viele junge Menschen sind, Arbeiter oder Familienmitglieder von Migranten, welche vornehmlich aus finanziellen Gründen ausgewandert sind, z.B. um zu arbeiten. Wanderarbeit und Einkommen leisten einen wesentlichen Beitrag zu einer positiven Entwicklung und der Reduzierung von Armut sowohl in Ländern, wo die Migranten arbeiten, als auch in ihren Herkunftsländern. Migration als ein positiver Antrieb für soziale Entwicklung ist eine kritische Herausforderung und muss noch in besonderem Maße adressiert werden. Viele Millionen von Migranten, die in andere Regionen oder Kontinente auswandern, einschließlich einer bedeutenden Zahl von Farmarbeitern und Hausangestellten, dokumentiert oder nicht, sind hochgradig menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt.[8]
Wir appellieren an Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen zu arbeiten, dass alle Wanderarbeiter und ihre Familien von den gleichen Rechten und Pflichten Gebrauch machen können, wie auch jeder andere Arbeiter des Landes, in dem sie leben. Besonders sollte auf die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit sowie die adäquate, gerechte und durchlässige soziale Absicherung, angepasst an die universellen Menschenrechte und internationalen Arbeitsnormen, geachtet werden. Ein Misslingen dessen würde die Arbeitsmärkte, öffentliche Gesundheit, den sozialen Zusammenhalt und die öffentliche Ordnung bedrohen. Soziale Absicherung für Migranten bedeutet einen größeren Schutz für ein friedliches Miteinander der gesamten Gesellschaft.
LISTE DER UNTERSTÜTZERam: 9. Juli 2013
- Antenne Suisse Réseau Afrique Europe Foi et Justice
- Compagnie des Filles de la Charité de Saint Vincent de Paul (CFDLC)
- Conference of Major Superiors of Men (CMSM)
- Coopération Internationale pour le développement et la Solidarité- International Cooperation for Development and Solidarity (CIDSE)
- Curia Generalizia Agostiniana (Augustinians International)
- Daughters of Charityof St. Vincent de Paul
- Dominicans for Justice and Peace (Order of Preachers)
- DOMINICAN LEADERSHIP CONFERENCE
- FIHC Unum Omnes
- International Alliance of Catholic Knights
- International Volunteerism Organization for Women, Education, Development (VIDES International)
- Istituto Internazionale Maria Ausialiatrice (IIMA)
- Marist International Solidarity Foundation ONLUS (FMSI)
- Medical Mission Sisters
- Missionary Oblates of Mary Immaculate
- Mouvement International d'Apostolat des Milieux Sociaux Indépendants (MIAMSI)
- Passionists International
- Salesian Missions
- Scalabrini International Migration Network (SIMN)
- The Leadership Conference of Women Religious
- Teresian Association
- Ursuline Sisters, Congregation of Tildonk
[1] Diese Stellungnahme wurde von einer Arbeitsgruppe erstellt, die den folgenden, der römisch-katholischen Kirche zuzuordnenden, Organisationen angehört: Caritas Internationalis, Kolping International/ Deutsche Kommission Justitia et Pax, Weltbewegung Christlicher Arbeitnehmer (MMTC-WMCW-WBCA), Internationale Vereinigung Christlicher Unternehmer (UNIAPAC), International Coordinationof Young Christian Workers (CIJOC-ICYCW), Pax Romana und ihre Mitgliedsgruppen (SIIAEC), Internationale Katholische Migrationskommission (ICMC), International Young Christian Workers (IYCW-JOCI), die Ständige Mission des Heiligen Stuhls bei der UN und anderen internationalen Organisationen in Genf, Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden
[2]Papst Johannes Paul II, LaboremExercens, LibreriaEditriceVaticana, 1981
[3]“Arbeit... ist nicht nur Ware. Im Gegenteil, die Menschenwürde der Arbeiter muss anerkannt werden. Daher kann Arbeit nicht gekauft und verkauft werden wie eine Ware”. Papst Pius XI, Quadragesimo anno, no 83,
[4]Pope Benedict XVI, Caritas in Veritate, 63, LibreriaEditriceVaticana, 2009,
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20090629_caritas-in-veritate_ge.html
Menschenwürdige Arbeit ist „eine frei gewählte Arbeit, die die Arbeitnehmer, Männer und Frauen, wirksam an der Entwicklung ihrer Gemeinschaft teilhaben lässt; eine Arbeit, die auf diese Weise den Arbeitern erlaubt, ohne jede Diskriminierung geachtet zu werden; eine Arbeit, die es gestattet, die Bedürfnisse der Familie zu befriedigen und die Kinder zur Schule zu schicken, ohne dass diese selber gezwungen sind zu arbeiten; eine Arbeit, die den Arbeitnehmern erlaubt, sich frei zu organisieren und ihre Stimme zu Gehör zu bringen; eine Arbeit, die genügend Raum lässt, um die eigenen persönlichen, familiären und spirituellen Wurzeln wiederzufinden; eine Arbeit, die den in die Rente eingetretenen Arbeitnehmern würdige Verhältnisse sichert.“ (Caritas in Veritate, 63.)
[5]Die gegenwärtigen wirtschaftlichen „Prozesse haben dazu geführt, dass die Suche nach größeren Wettbewerbsvorteilen auf dem Weltmarkt mit einer Reduzierung der Netze der sozialen Sicherheit bezahlt wurde, was die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrechte und die in den traditionellen Formen des Sozialstaates verwirklichte Solidarität in ernste Gefahr bringt. Die Systeme der sozialen Sicherheit können die Fähigkeit verlieren, ihre Aufgabe zu erfüllen, und zwar nicht nur in den armen Ländern, sondern auch in den Schwellenländern und in den seit langem entwickelten Ländern“. (Caritas in Veritate, 25.)
[6] Soziale Grundsicherung ist definiert als „Basisniveaus für Sozialschutz auf innerstaatlicher
Ebene festgelegte grundlegende Garantien der Sozialen Sicherheit, durch die ein Schutz sichergestellt wird, der auf die Verhinderung oder Linderung von Armut, Verletzlichkeit und sozialer Ausgrenzung abzielt. (ILO- Empfehlung betreffend den innerstaatlichen sozialen Basisschutz 202, Nr 2, 2012)
[7]Papst Benedict XVI, BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI. ZUM XXVIII. WELTJUGENDTAG 2013, 18.10.2012, LibreriaEditriceVaticana,
[8]“Die Institutionen der Aufnahmeländer müssen sorgfältig darüber wachen, dass die Versuchung nicht an Boden gewinnt, ausländische Arbeitskräfte auszubeuten, indem man ihnen die Rechte, die den inländischen Arbeitskräften garantiert sind und allen ohne Unterschied zugestanden werden müssen, versagt. Die Regelung der Migration nach Kriterien der Billigkeit und des Gleichgewichts ist eine der unerlässlichen Voraussetzungen dafür, dass sich die Eingliederung in einer Weise vollzieht, die die von der Würde des Menschen geforderten Sicherheiten garantiert. Die Einwanderer müssen als Personen aufgenommen und gemeinsam mit ihren Familien bei der Integration in das gesellschaftliche Leben unterstützt werden. Zu diesem Zweck muss das Recht auf Familienzusammenführung respektiert und gefördert werden. Gleichzeitig müssen, soweit möglich, alle Umstände begünstigt werden, die die Arbeitsmöglichkeiten in den Herkunftsländern verbessern“
(Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre, Kapitel 6, 298, web. http://www.iupax.at/index.php/listekompendium/194-kapitel6.html)
Deutsche Übersetzung im Rahmen der PerMondo Initiative für ehrenamtliche Übersetzung von Dokumenten und Webseiten für NGOs und nicht profitorientierte Vereine. Leitung: Übersetzungsagentur Mondo Agit. Übersetzerin: Aline Höfer. Korrekturleser: Torsten Brohmann und Hildegard Hagemann